News 167 - März
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Liebe JAIG Freundinnen und Freunde,
Jetzt ist die Jahreszeit, in der Fruehlingsboten aus Japan eintreffen. Das Foto wurde von Frau Tokura (7K3EOP#542) im Shinjuku Gyoen Park aufgenommen und zeigt Kirschblueten und in die Wildnis zurueckgekehrte Wellensittiche.
In diesen JAIG News stellen wir Euch anlaesslich des 100. Jubilaeums des Rundfunkbeginns einen interessanten oesterreichische-deutschen Radioempfaenger vor.
Unsere deutsche JAIG-Gruppe hat zwei Clubstationen, DL0DJF und DK0DJF. Gleichzeitig wurde vom DARC ein Soder- DOK "DJF" zugeteilt. Da es in letzter Zeit jedoch keine Anfragen zur Nutzung dieser Clubstation gab, planen wir, diese beiden Rufzeichen zum 31. Dezember 2025 zurueckzugeben.
Gleichzeitig wird auch der Sonder-DOK ungueltig.
Bitte teilet uns Euere Meinung dazu mit.
Also, viel Spass beim Lesen der JAIG-News.
JAIG News Redaktion
Vorwort
Schon oft haben wir in diesen JAIG News darueber berichtet, dass es in der die Stadt Cham, am Eingang zum "Bayerischer Wald" gelegen, ein namhaftes "Rundfunkmuseum" gibt.
Vor etwa fuenf Jahren war in der Sammlung ein Lang-und Mittelwellenradio ausgestellt, das mich in Erstaunen versetzte. Es wurde um 1936 hergestellt.
Ein typischer in Europa hergestellter Radioempfaenger verfuegt ueber eine Frequenzabstimmungsskala, die den Ortsnamen angibt, von dem die Sendung gesendet wird, sowie die Frequenz. Wenn man beispielsweise ein Radioprogramm in Deutschland hoehrt, kann man auch Sendungen aus den Nachbarlaendern empfangen.
Was mich an dem Radio jedoch ueberraschte, war, dass es eine runde Anzeige zum Einstellen der Skala hatte, um den herum die Frequenzen eingraviert waren, und auf der Innenseite befand sich eine Europakarte. Wenn Sie eine Sendung auswaehlen, das heisst, wenn man den Drehknopf bedient, erscheint eine Lampe, die anzeigt, woher die Sendung kommt.
Die Idee ist einzigartig, aber auch die Struktur ist spektakulaer.
Mit der heutigen Digital- und Glasfasertechnik waere es relativ einfach, dies in die Praxis umzusetzen, aber wie bereits erwaehnt, wurde dieses Radio um 1936 entwickelt und auf den Markt gebracht. Das hohe technologische Niveau, das die Ingenieure damals hatten und die damit verbunndene harte Arbeit sind wirklich bemerkenswert. Der Name war "INGELEN" und "Radiofabrik INGELEN Ing. Ludwig Neumann GmbH"?mit Sitz in Wien, Oesterreich hat das Geraet hergestellt. Das Rundfunkmuseum hat im Jahr 2021 eine Sonderheft zum Thema"INGELEN" herausgegeben.
Dies ist die elektrische und mechanische Struktur eines Radios, die in Japan nicht zu sehen ist, deshalb habe ich sie uebersetzt, um sie japanischen Funkamateuren vorzustellen.
Mit freundlicher Genehmigung von Michael Heller, Direktor des Rundfunkmuseums, und mit Zustimmung aller Autoren, werden wir es auch in dieser Sonderausgabe der JAIG News vorstellen. Der Grund, warum ich sie sowohl auf Japanisch als auch auf Deutsch geschrieben habe, liegt darin, dass dieser Newsletter fuer die breite Oeffentlichkeit schwer erhaeltlich ist und ich dachte, dass er auch fuer deutsche Funkamateure von Interesse sein koennte.
Besucht bitte doch einmal die Website des Rundfunkmuseums, um sich die Exponate anzusehen.
Der Link lautet https://www.chamer-rundfunkmuseum.de
Auch auf YouTube ist es: https://www.youtube.com/watch?v=8cljp0xrVOs&t=45s
Wenn Ihr den Newsletter erhalten moechtet, koennt Ihr Euch unter folgendem Link anmelden:
https://chamer-rundfunkmuseum.de/newsletter-registrierung/
Wenn Ihr zum Bayerischen Wald aus Urlaubs- oder sonstigen Gruenden kommt, empfehlen wir Euch auch einen Besuch im Rundfunkmuseum. Es lohnt sich.
(Oeffnungszeiten beachten) JAIG Newsredaktion
Der Ingelen Geographic
Autor: Daniel Paul
„Den Ingelen Geographic“ gibt es eigentlich nicht. Der Begriff steht für eine Vielzahl von Modellen mit der „Geographic-Skala“. Es beginnt mit einem Radiogerät namens Ingelen Cosmos, anschließend mit einer Serie von über mehrere Jahre in Wien gefertigten Ingelen Geographic-Geräten, des Weiteren aus exportierten Bausätzen von Geographic-Modellen, die in Nachbarstaaten von Österreich für den dortigen Markt zusammengebaut wurden und endet nicht zuletzt mit in verschiedenen Ländern gefertigten Lizenzmodellen.
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Ingelen 1936 auf der Herbstmesse in Paris |
Der Ingelen „Geographic“ – das ist der Hingucker bei den Radiogeräten der Mitte der 1930er Jahre schlechthin. Er lässt die Sammlerherzen höher schlagen. Doch warum eigentlich?
Es gab in der damaligen Blütezeit der Radiogeräteindustrie in Deutschland und Österreich eine Vielzahl an herausstechenden Exemplaren, beispielsweise
den Seibt Sanssouci 326, genannt „Beichtstuhl“ oder den Opta „Schlittschuh“, doch der „Geographic“ ist und bleibt wohl das heute begehrteste Sammlermodell.
Warum aber wirkt dieser Rundfunkempfänger derart anziehend auf Sammler und Betrachter?
Dieser Frage, vielen technischen Details, einmaligen Fotografien und Broschüren aus den 1930er Jahren sowie der Auflistung und Zuordnung der damaligen europäischen Senderstandorte zu diesem Empfänger widmen wir eine Sonderausgabe unserer Museumszeitschrift „Das Rundfunkmuseum“.
Er wird fast schon wie ein Schatz gehütet: Ein komplett funktionstüchtiger Empfänger aus der Modellreihe der Ingelen „Geographics“ mit voll intaktem Geographic-Indikator. Jeder, der ein solch rares Modell sein Eigen nennen darf, kann sich in der Tat glücklich schätzen. Doch warum eigentlich – und vor allem, welche Technik steckt in diesem Radioapparat aus der Blütezeit der österreichischen Rundfunkindustrie der 1930er.
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Anzeige: Ingelen Cosmos 1936 |
Der Grund für diese anziehende Wirkung der Geographic-Modellreihe liegt auf der Hand bzw. im wahrsten Sinne des Wortes in der Ausführung der Stationsanzeige. Die weltweit patentierte Geographic-Skala, eine sicher einmalige Erfindungbesteht aus einer ausgeklügelten Europakarte mit jeweils aufleuchtenden Punkten bei der Sendersuche quer durch das Lang- und Mittelwellenband. Die Funktion ist einfach und kompliziert zugleich.
Hinter der Fassade dieser Modelle der längst untergegangenen österreichischen Radiofabrik Ingelen werkelte eine Frühform von Lichtleitertechnik. Die Karte änderte ihre Optik im Laufe der Jahre 1936 bis 1939 nur unwesentlich. Wurde sie anfangs in Farbe gedruckt, hatte sie später gelb-schwarzes Aussehen. Beim letzten Modell der Reihe „Geographic 39“ waren Österreich als „Ostmark“ und das annektierte Sudetenland Teil des „Großdeutschen Reiches“.
Der Name Ingelen leitete sich aus dem Namen Ingenieur Ludwig Neumann (= Ingelen) ab. Ing(e)L(e)N, die beiden Buchstaben „e“ wurden der besseren Lese- und Aussprechbarkeit eingefügt. Leider verstarb der Firmengründer Neumann im Jahr 1931. Die Firma wurden von den engsten Mitarbeitern weitergeführt. Eine wichtige Person war Ing. Karl Kontrus sen.
Mit einem LCD-Bildschirm oder LEDs wäre die Darstellung einer Geographic-Skala heutzutage problemlos realisierbar – vor 85 Jahren mussten sich die Entwicklungsingenieure etwas ganz Besonderes dafür einfallen lassen:
Sie setzten auf eine Frühform heutiger Glasfaser-Lichtleiter und ließen die Arbeiterinnen in mühevoller Handarbeit hauchdünne Glasröhrchen so zu zurechtbiegen, daß das Licht eines Lämpchens hinter der Verkleidung genau zu der Stadt beziehungsweise der Station gelotst wurde, die per Drehrad eingestellt worden war.
Erstmals wurde zur Gerätesaison 1935/1936 dieser Geographic-Indikator auf den Markt gebracht, damals mit der Gerätebezeichnung „Ingelen Cosmos“. Schaut man hinter diese Karte bzw. in die Trommel, dann sieht man über 100 feine Glasstäbchen (beispielsweise 116 beim Modell „US 537 W“ oder 110 beim Modell „39 W“, die in der verschiedenartigsten Weise gebogen sind. Jedes davon endet an einem Punkt der Landkarte.
Die Abstimmung geschieht folgendermaßen: Wenn man den Apparat einstellt, dreht sich mit den Abstimmkondensatoren ein Lämpchen an der Peripherie der Landkarte herum, wo auch die Stationsnamen aufgezeichnet sind. In dem Moment, wo Lämpchen und Zeiger auf dem Namen der gewünschten Station angekommen sind, fällt das Licht der Glühbirne auf denjenigen Glasstab, der das Einstellfeld dieser Station mit dem geographischen Ort auf der Landkarte verbindet.
Ein solches voll funktionsfähiges Geographic-Modell ist mittlerweile zu einer derartigen Rarität geworden, für die Sammler heute tausend Euro und mehr hinblättern.
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1937 Geographic US837 Chassis |
Werbebild 1936 |
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In dieser Sonderausgabe stellen wir die unterschiedlichen Landkartentypen sowie die Zuordnung der Stationsnamen zu den Leuchtpunkten detailgetreu vor. Es ist anzumerken, daß nicht jedem außen an der Skala namentlich genannten Senderstandort ein Leuchtpunkt gewidmet wurde. Die Firma Ingelen hat hier eine wohldurchdachte Auswahl getroffen und umgesetzt.
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Anzeige aus: Die Tonwiedergabe, September 1938 |
Die Frage, die sich wohl jedem Betrachter stellt, wird hier ebenfalls im Detail aufgeklärt. „Auf welcher Grundlage basierte diese einstige Senderübersicht Europas?“ Es gab seinerzeit in den Rundfunkzeitschriften und in der Fachpresse zahlreiche gedruckte und detaillierte Senderlisten. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden nur noch Veröffentlichungen mit Stationen aus dem Großdeutschen Reich bzw. Stationen in den besetzten Gebieten, die abgehört werden durften, abgedruckt.
Eine zu 98 %ige Übereinstimmung in Sachen Standorte und Wellenlänge konnten wir mit einer Karte und Liste „Die Sender Europas“ – Stand 1. März 1937 – aus dem „Rundfunk Taschenbuch für jedermann“ finden, erschienen im Lehmanns Verlag München-Berlin.
Wir haben beides, Karte und Liste, farbig bearbeitet. Die in die Geographic-Baureihe übernommenen Langwellensender sind orange gekennzeichnet, die Mittelwellensender gelb. Die Stationen, die nur außen an der Landkarte namentlich genannt sind, denen jedoch kein Leuchtpunkt zugewiesen wurde, sind blau markiert. Bei ganz wenigen Stationen gibt es in Sachen Standort leichte Abweichungen, die Wellenlänge aber ist korrekt. Diese sind in der Senderliste mit einer unterbrochenen Linie gekennzeichnet. (Siehe Anlage: „Die Geographic-Skala“.)
Bisher noch nicht veröffentlichte Aufnahmen zeigen die Produktionswerkstätten der Firma Ingelen in Wien. Vor allem die Detailfotos zur Produktion des Geographic-Indikators dürften absoluten Seltenheitswert haben. Zudem sind hier Auszüge aus ebenso seltenen originalen Produktbroschüren abgedruckt. (Siehe Anlagen: „Die Geographic-Skala“, „Werbeschriften und Werbeanzeigen“).
Ingelen – die Firma
Autor: Eckhard Kull
Kurzinformation über die Firma Ingelen zur Radiogeräteproduktion des Ingelen Cosmos bzw. des Ingelen Geographic sowie Geräten mit der Geographic-Skala
Die Firma Ingelen, Elektrotechnische Fabrik Ing. Ludwig Neumann GmbH, in Wien, Österreich, wurde 1907 gegründet. Zunächst war sie eine Montagewerkstatt für technische Artikel. Sehr schnell stieg man auf die Produktion von elektrotechnischen Bauteilen und Apparaten um. Das waren Elektromotoren, Ventilatoren, Heißluft- und Massagegeräte. Später kamen Koch- und Heizgeräte sowie in einem zweiten Werk in Frauenthal, Steiermark, technisches Porzellan dazu.
Ab 1924 entwickelte und baute man, zeitgleich mit dem Beginn des Rundfunks in Österreich, Radiogeräte. Der österreichische Inlandsmarkt war in den zwanziger und bis Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts sehr überschaubar. Große Absatzsteigerungen waren auf dem heimischen Markt kaum zu erzielen, Ingelen stand in diesen Jahren im Wettbewerb mit acht weiteren rein Österreichischen Radiofirmen sowie den ausländischen Konzernen Philips und Siemens, die ebenfalls hier Produktionsstätten unterhielten. Der Zugang zum Radiogerätemarkt im Nachbarland Deutschland war aufgrund des von der Firma Telefunken angeführten Kartells, das Geräteimporte über viele Jahre verhinderte, nicht möglich. Erst im Jahr 1938, nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich öffnete sich der gesamte deutsche Markt für die in Österreich ansässigen Radiofirmen.
Die Firma Ingelen war aus diesem Grund zunächst stark auf Absatzmärkte im europäischen Ausland angewiesen. Dies sieht man z. B. am Radiogerät US 26 W, ein Geographic-Modell, das speziell für den Export in die Schweiz hergestellt wurde. Mit der Geographic-Skala und der Qualität seiner Rundfunkapparate erlangte die Firma Weltruf und erschloss sich große Exportmärkte.
Des Weiteren vergab die Firma Ingelen von der von ihr patentierten Geographic-Skala (Österreichische Patente Nr. 145100, 146634, 150759 u. a.) und den von ihr entwickelten Radiochassis Lizenzen z. B. an die Radiofirma Capello in Polen und die Firma VEF in Lettland. Aus diesen Gründen gibt es eine Vielzahl von Radiogeräte-Typen mit der Geographic-Skala. Sie wurden von der Firma Ingelen als Inlandsgeräte, als Exportgeräte und von fremden Firmen im Ausland als Lizenzgeräte hergestellt.
In diesem Heft kann nur auf einige ausgewählte Modelle mit dem Geographic-Indikator bzw. der Geographic-Skala der Firma Ingelen eingegangen werde. Eine Gesamtabhandlung würde den Rahmen des Heftes sprengen.
Gefertigt wurden die Radiogeräte mit der berühmten Skala bei der Firma Ingelen in den Jahren 1935 bis 1939. Mit Kriegsbeginn musste die Firma Ingelen, wie so viele andere Radiofirmen in Deutschland, die Radiofertigung einstellen. Bis Kriegsende 1945 wurde ausschließlich Nachrichtentechnik und elektronische Ausrüstung für die deutsche Wehrmacht und Luftwaffe hergestellt.
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Anzeige aus: Radio Wien, Heft 2 (?), Seite 19, Oktober 1935 |
Rundfunkgeschichtliche Einleitung
Autor: Eckhard Kull
Kurzer Abriss über die Entwicklung des Rundfunks und der Rundfunkgeräte vom Beginn der Zwanzigerjahre bis zu den Jahren 1934 / 35
Das Rundfunkzeitalter begann in Europa Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der Aufbau der Rundfunksender erfolgte in den ersten Jahren nur langsam, das neue Medium Rundfunk musste bei der breiten Bevölkerung erst bekannt werden.
Rundfunksender mit Sendeleistungen, anfangs mit 1 kW und später mit bis zu 20 kW, waren bis Ende der 20er Jahre Stand der Technik. Auch gab es nur in oder in der Nähe der Hauptstädte oder anderen großen Städten Rundfunksender. In großen Teilen Deutschlands aber auch in den Alpenregionen Österreichs war in den 20er Jahren nur an wenigen Orten mit den einfachen Radiogeräten Rundfunkempfang möglich.
Rundfunksender in Östereich im Jahr 1928 (Radiowelt 1928) |
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Die Technik der Empfangsgeräte befand sich damals, ebenso wie die Sendertechnik, in einem Zeitabschnitt, in dem wesentliche Erfindungen und Entwicklungen in der neuen, und erst ca. 20 Jahre alten, Funktechnik gemacht wurden. Dies betraf auch den Stand der Entwicklung der Elektronenröhren.
Die Radiogeräte waren anfangs meist Detektorapparate oder einfache Röhrengeräte mit einer oder seltener zwei Röhren. Mit Ihnen konnte nur in einem sehr begrenzten Umkreis eines Rundfunksenders das Programm gehört werden. Dazu war aber noch mindestens eine Zimmerantenne erforderlich. Zudem waren die Apparate in der Anschaffung und bei Röhrengeräten auch im Betrieb teuer. Man musste ja ständig neue Heiz- und Anodenbatterien kaufen, bzw. den Heizakkumulator wieder aufladen lassen. Auch hatten die in der Anschaffung teuren Röhren nur eine begrenzte Spieldauer. Wollte man nicht mit Kopfhörer das Rundfunkprogramm verfolgen, kam die Anschaffung eines Lautsprechers und oft eines Röhrenverstärkers hinzu. Die Teilnahme am Rundfunk war anmeldepflichtig. In Deutschland war eine monatliche Gebühr von 2 Reichsmark zu entrichten. Schwarzhören war unter Strafandrohung verboten. Der einfache Rundfunkteilnehmer konnte in den 20er Jahren vielfach nur seinen nächstgelegenen Rundfunksender hören. So genannter Fernempfang war nur mit großem Aufwand und teurer Empfangsapparatur möglich. Der Besitz eines fabrikmäßig hergestellten Radiogerätes mit mehreren Röhren war in den 20er Jahren Luxus.
Empfangsresultate in den verschiedenen Radioempfangsgeräten (Radiowelt 1928)
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Radio Amateur, Heft 8-1938, S. 429 |
Dies änderte sich am Anfang der dreißiger Jahre. Die Sendertechnik der Mittelwellensender war jetzt relativ ausgereift. Fast alle Staaten in Europa bauten ihre Rundfunksendernetze aus. Die bestehenden Hauptsender erhielten eine Sendeleistung von 100 kW, teilweise sogar noch mehr. Gleichzeitig wurden sogenannte Nebensender mit Leistungen bis zu 20 kW errichtet. Damit konnte in Flächenstaaten, wie z.B. Frankreich, Italien oder Deutschland einem großen Teil der Bevölkerung Rundfunkempfang ermöglicht werden. Dazu kam der Aufbau von Langwellensendern in den europäischen Staaten. Langwellen haben aufgrund ihrer physikalischen Ausbreitungsbedingungen eine wesentlich größere Reichweite.
Die Anzahl der Rundfunksender in Europa auf Mittel- und Langwelle hatte sich in wenigen Jahren vervielfacht. Frequenzen für Rundfunksender wurden knapp. Man behalf sich mit dem Aufbau sogenannter Gleichwellennetze; d. h. mehrere Sender mit kleiner Leistung und größerem räumlichen Abstand voneinander sendeten auf der gleichen Frequenz (Wellenlänge).
Auch bei den Rundfunkempfängern war die Entwicklung rasant fortgeschritten. Es gab jetzt spezielle Elektronik-Bauteile, Röhren mit wesentlich höherer Verstärkung, Röhren, die eigens für Nieder- oder Hochfrequenzanwendungen konstruiert waren usw. Das Radiogerät für Netzanschluss und mit eingebautem Lautsprecher hatte sich durchgesetzt. Auch die Verkaufspreise der Radiogeräte wurden moderater, größere Bevölkerungsgruppen konnten sich jetzt zumindest ein einfacheres Radiogerät mit zwei oder drei Röhren (ohne Berücksichtigung der Gleichrichterröhre) leisten.
Mit diesen Rundfunkempfängern und einer Zimmerantenne konnte man jederzeit mehrere Rundfunksender hören. Der Rundfunkteilnehmer war nicht mehr auf den Ortssender angewiesen. Auch weiter entfernte und ausländische Sender konnten bei Verwendung entsprechender Antennen, z.B. Rahmenantennen, Mastantennen oder Langdrahtantennen, insbesondere in den Abendstunden und nachts störungsfrei gehört werden.
Seit Beginn des Rundfunks hatten die Radiogeräte zur Einstellung des Senders entweder eine rein numerische Skala, z.B. von 1–100 oder eine Skala auf der der Mittelwellenbereich mit der Wellenlänge in Metern angegeben war: 200–600 m.
Konnte man mit einem Radiogerät nur ein, zwei oder maximal drei Sender störungsfrei und konstant empfangen waren derartige Skalen vollständig ausreichend, der Radiohörer konnte sich anhand der Zahl auf der Skala die Einstellung des / der Sender(s) merken. Diese Situation änderte sich aber zu Beginn der 30er Jahre von Grund auf. Die stärkeren Sender hatten eine vielfach größere Reichweite, die Radiogeräte waren wesentlich empfindlicher und trennschärfer geworden. Fernempfang sowie der Empfang europäischer ausländischer Sender in ordentlicher Hörqualität, insbesondere bei Dämmerung und Dunkelheit waren möglich. Der Radiohörer konnte jetzt über den gesamten Skalenbereich Radiostationen empfangen.
Damit kommen wir zum Teil 2 mit den Radioskalen und deren mehr oder weniger aufwändigen Gestaltung.
Wieso gestalteten und bauten die Radiofirmen ab dem Jahr 1934 extrem aufwändige Radioskalen wie z. B. bei den in diesem Heft beschriebenen Ingelen Geographic-Geräten? – Versuch einer Erklärung.
Im Juni 1934 waren beim Weltrundfunkverein für die Region Europa, angrenzende Mittelmeerländer und Sowjetunion 30 Rundfunksender auf dem Langwellenbereich 155 kHz bis 271 kHz (entspricht einer Wellenlänge von 1935 m bis 1107 m) in Betrieb registriert.
Im Mittelwellenbereich, 519 kHz bis 1500 kHz (entspricht einer Wellenlänge von 578 m bis 200 m) war es die stolze Zahl von 237 Rundfunksendern. Natürlich müssen hier geografische Standorte berücksichtigt werde. Bei Sendern, die im asiatischen Teil der Sowjetunion oder die in den Staaten am östlichen Mittelmeer lagen, bei Sendern mit kleiner Leistung und bei Gleichwellen-Sendernetzen konnten die Frequenzen mehrfach belegt werden, ohne dass es zu Störungen kam. [1]
Einfache Skalen mit reinen Zahlenangaben oder mit der Angabe der Wellenlänge reichten, wie schon erwähnt, bei dieser großen Anzahl von MW-Sendern nicht mehr aus. Der Hörer wollte während des Abstimmvorganges am Radiogerät sofort erkennen und ohne längere Zeit zuhören zu müssen, welchen Sender er gerade eingestellt hatte. Auch wollte er seine bevorzugten Sender schnell und unkompliziert auf der Skala finden und einstellen können. In beiden Fällen benötigte er die Namen der Sendestationen.
In Berlin konnte der Rundfunkhörer mit einem Zweiröhrenempfänger mit Reflexschaltung neben dem Ortssender weitere 21 Sender in guter Qualität empfangen.
Die Radioindustrie erkannte diese Erfordernisse sehr schnell und stattete die Rundfunkgeräte mit Skalen aus, auf denen die Namen der Sendestationen vermerkt waren. Die Wellenlänge, seltener die Sendefrequenz, waren nach wie vor auf der Skala zu finden, diese Angaben traten jetzt mehr in den Hintergrund und wurden in kleinerer Schrift angebracht. Neu war, dass die Skala mit den Namen der Sendestationen bei der Entwicklung des jeweiligen Gerätes beim Hersteller geeicht werden musste. Hinter jedem Namen auf der Skala verbarg sich ja eine eindeutig zugeordnete Empfangsfrequenz.
Allerdings gab es jetzt für die Radiogerätehersteller bei der Gestaltung der Skalen neue Schwierigkeiten. Auch wenn man nur die leistungsstärksten MW-Sender im europäischen Teil der Sowjetunion berücksichtigte, von den kleinen und örtlichen ausländischen Sendern nur die in Grenznähe beachtete und die Gleich- bzw. Gemeinschaftswellen nur abgekürzt bezeichnete, verblieben immer noch rund 150 Stationsnamen, die auf der Skala des Radiogerätes untergebracht werden mussten. Dazu kamen noch die Stationsnamen der wichtigsten Langwellensender. Die Radiogeräteskala sollte ja übersichtlich gestaltet und einfach ablesbar sein. Auf einer maximal 30 cm langen und 10 cm hohen Rechteck-Skala war das praktisch nicht zu verwirklichen. Bei Rundskalen gab es Schwierigkeiten mit dem Ablesen der Stationsnamen und der Übersichtlichkeit. Es wurden meistens nur mehr oder weniger große Kreisausschnitte der Rundskala angezeigt.
Ab ca. 1933 entwickelten etliche Radiogerätehersteller für ihre Mittelklasse- und Großgeräte spezielle Skalen, auf denen die meisten Sendestationen Platz fanden.
Man verließ die einfache Glas- oder Zelluloid-Skala und konstruierte aufwändige Skalen mit z.B. optischer Anzeige, alphabetischen Stationswählern auf bedruckten Bandskalen, Länderbandanzeiger oder Länderbandskala, Litfaßsäulen-Skalen, Kinoskalen um nur einige zu nennen. Auf den Aufbau und die Funktionsweise der vorgenannten Skalen kann an dieser Stelle nur soweit eingegangen werden, dass es sich um aufwändige feinmechanische und optische Meisterwerke gehandelt hat.
Die Firma Ingelen konstruierte die geniale Kartenskala, die mit den Modellen Ingelen Cosmos und Geographic weltbekannt wurde.
Ein zeitgeschichtlicher Aspekt spielt bei dieser Thematik ebenfalls eine große Rolle.
Mit dem Rundfunk war ein Medium geschaffen worden, das es den Hören erlaubte entferntere und auch ausländische Sender zu hören. An diesen neuen Empfangsmöglichkeiten wollten natürlich viele Rundfunkteilnehmer teilhaben. Man war mit dem neuen Medium nicht mehr allein auf die Informationen der meist örtlichen Presse angewiesen, sofern man sich ein empfangsstarkes Radiogerät zum Abhören dieser Sender leisten konnte.
Auch entstanden in den zwanziger Jahren Amateur-Radiovereine, deren Mitglieder versuchten weit entfernte Rundfunkstationen, insbesondere im Ausland zu empfangen und das in möglichst verständlicher Form und ordentlicher Lautstärke. Die Empfangsgeräte waren Eigentum des Vereins und wurden meistens anhand von Schaltplänen und Baumappen von Vereinsmitgliedern zusammengebaut. So konnten auch die weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten, die sich keine teuren und leistungsstarken Radioempfänger leisten konnten, an den Informationen teilhaben.
Einerseits war der Empfang entfernter und ausländischer Sender eine Art Sport, man trat mit anderen Vereinen in einen Wettstreit. Andererseits war das Interesse an zusätzlichen Informationen über Politik und Wirtschaft in den unruhigen zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei der Bevölkerung groß.
Eine weitere wichtige Tatsache, die mit dem Auftauchen von ausländischen Stationsnamen auf den Geräteskalen und deren Gestaltung anfangs der dreißiger Jahre erst richtig in das Bewusstsein der Gerätebesitzer trat, war die Sehnsucht auch einmal eine bekannte und geschichtlich berühmte Stadt zu besuchen und fremde Kulturen zu erleben. Man hörte im Radio Ansagen und Nachrichten z.B. in französischer, englischer oder italienischer Sprache.
Auf den Radioskalen las man jetzt die italienischen Orte: Rom, Florenz, Mailand oder die französischen Städtenamen: Paris, Marseille, Toulouse, Bordeaux und Nizza. Unerreichbare, aber durch Literatur und Geschichte bekannte Ziele, die man gerne besucht hätte.
Auslandsreisen konnten sich nur sehr begüterte Bevölkerungsgruppen leisten. Selbst für den sogenannten Mittelstand waren sie damals unerschwinglich. Urlaub machte man, wenn überhaupt, nur im eigenen Land. Der eventuell mögliche Empfang der vorgenannten Sender erweckte bei nicht wenigen Hörern zumindest das Gefühl, in diesen, damals nie persönlich erreichbaren, Städten gewesen zu sein und von der fremden Atmosphäre etwas mitbekommen zu haben. Bei vielen Hörern entstand eine Art virtuelles Besuchserlebnis, wenn sie die ausländischen Sender hören konnten.
Unter diesem Aspekt waren die Geographic-Skalen von Ingelen der absolute Sieger an Informationswert und Übersichtlichkeit. Der Radiohörer hatte eine beleuchtete Karte von Europa vor sich und die Radiostation, die er gerade hörte, wurde mit einem beleuchteten Punkt auf der Karte angezeigt.
[1] „Radio Wien“, Heft 41, 06.07.1934
Quellen:
Die Radiowelt, Jahrgange 1927 und 1928
Radiohandel und Export verschiedene Jahrgänge
Der Radiohändler, verschiedene Jahrgänge
Die Tonwiedergabe, verschiedene Jahrgänge
Radiobote, verschiedene Jahrgänge
Anzeige aus: Radio Handel und Export, Heft 13-1935
Wie die Geographic-Skalen entstanden – ein historisch-technischer Rückblick
Autor: Hans-Thomas Schmidt, München
In diesem Abschnitt erfährt der Leser, wie die faszinierenden Geographic-Skalen entstanden, wie sie hergestellt wurden und was noch hätte daraus werden können. Glücklicherweise ist all das in Patentschriften dokumentiert, die ich hier auszugsweise vorstellen und erläutern möchte. Von Daniel Paul stammen hierzu noch drei seltene Fotos aus der Fertigung.
Beginnen wir mit dem ersten Patent: AT146634:
Ing. Ludwig Neumann Gesellschaft m. b. H. In Wien.
Stationsanzeigeeinrichtung für Radioempfangsapparate u. dgl.
Angemeldet am 4. April 1935.
Beginn der Patentdauer: 15. März 1936.
Patent-Ansprüche:
1. Stationsanzeigeeinrichtung für Radioapparate u. dgl., bei der durch die Einstellung der Abstimmmittel, mittels welcher der Apparat auf eine bestimmte Station od. dgl. eingestellt wird, zugleich auch die geographische Lage der betreffenden Station auf einer Landkarte od. dgl. ersichtlich gemacht wird, dadurch gekennzeichnet, daß mittels des Bedienungsknopfes od. dgl. der Abstimmittel, der jeweiligen Einstellung derselben auf eine Station entsprechend, durch entsprechende Übertragungsorgane ein Licht-Strahlenbündel derart gerichtet bzw. den Gang desselben durch Reflexion oder Brechung bestimmende optische Mittel (Spiegel, Prismen u. dgl.) derart verstellt oder eingestellt werden, daß das Lichtbündel auf die der betreffenden Station entsprechende Stelle einer, zweckmäßig ortsfest angeordneten ebenen oder gekrümmten und vorzugsweise ganz oder nur an den den anzuzeigenden Stationen entsprechenden Stellen durch Löcher od. dgl. lichtdurchlässigen die Landkarte darstellenden Fläche geworfen wird.
In diesem ersten Patentanspruch, ein einziger langer Satz, wird beschrieben, dass auf einer geografischen Karte der Senderstandort aufleuchtet, dessen Sendefrequenz eingestellt wurde. Die Grundlage aller Geographic-Skalen.
Im zweiten Patentanspruch ist eine geografische Projektionsskala beschrieben.
2. Stationsanzeigeeinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß auf einem, der Verstellung der Einstellmittel entsprechend verschiebbaren oder verdrehbaren Träger kleine Spiegel oder Prismen od. dgl. in den Abständen der anzuzeigenden Stationen auf einer Einstellskala od. dgl. entsprechenden Entfernungen voneinander angeordnet und derart eingestellt sind, daß ein in einer bestimmten Richtung verlaufendes, auf die Spiegel od. dgl. gerichtetes Lichtbündel von demjenigen Spiegel, der bei der Einstellung der Abstimmittel (und damit des Spiegelträgers) auf eine Station in den Gang des Lichtbündels gebracht wird, auf diese Station auf der Landkarte geworfen wird. …
Es gibt eine Abbildung dazu:
Der Abstimmknopf (9) treibt einen Drehkondensator und eine runde Scheibe (22) an, an dessen Rand kleine gekippte und gedrehte Spiegel (21) angebracht sind. Jeder Sender hat seinen eigenen Spiegel. Durch die Drehung gelangt immer nur ein Spiegel in einen gerichteten Lichtstrahl (20), der dann von hinten einen Leuchtfleck auf die passende Stelle (S) in der Karte (1) wirft.
Der dritte Patentanspruch beschreibt eine Variante der Projektionsskala, die ohne Spiegel auskommt.
3. Stationsanzeigeeinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die das Lichtstrahlenbündel erzeugende Vorrichtung selbst oder eine das Bündel ablenkende, z. B. aus einem oder aus zwei gekreuzten Spiegeln od. dgl. bestehende optische Vorrichtung durch, den Stationskoordinaten entsprechend geformte zugleich mit der Einstellung des Apparates entsprechend bewegte Schablonen oder Führungen im wesentlichen um zwei unter einem, zweckmäßig rechten Winkel zueinander stehende Achsen derart verdreht wird, daß das Strahlenbündel auf die Station auf der Landkarte geworfen wird, auf die der Apparat abgestimmt wird.
In Fig. 2 und 3 ist das abgebildet.
Der Abstimmknopf (9) betreibt neben dem Abstimmkondensator zwei Kurvenscheiben (27, 29), wovon eine waagerecht angeordnet ist und die anderere senkrecht. In die senkrechte Kurvenscheibe (27) greift eine Führung mit zwei Rollen (Fig. 3). Bei Drehung der Scheibe (27) bewegt sich die Führung in bestimmter Weise auf und ab und treibt eine federnd gelagerte (35) Stange (31) an, die an einer beweglichen Lichtquelle (16, 17) befestigt ist. Diese strahlt gerichtetes Licht ab (46) und schwenkt bei Drehung der Kurvenscheibe auf und ab. In ähnlicher Weise dreht die waagerechte Kurvenscheibe (29) die Lichtquelle nach rechts oder links. Je nach Stellung des Abstimmknopfes gelangt der Lichtfleck so auf die passende Stelle in der geografischen Karte.
Schon zwölf Tage nach dem ersten Patent wurde das Zweite angemeldet.
Patentschrift Nr.: AT145100.
Ing. Ludwig Neumann Gesellschaft m. b. H. in Wien.
Stationsanzeigeeinrichtung· für Radioempfangsapparate u. dgl.
Angemeldet am 16. April 1935,
Beginn der Patentdauer: 15. November 1935.
Patent-Ansprüche:
1. Stationsanzeigeeinrichtung für Radioempfangsapparate u. dgl., bei der durch die Betätigung des Bedienungsknopfes od. dgl. zur Einstellung der Abstimmittel des Apparates auf eine bestimmte Station od. dgl. zugleich auch die geographische Lage der betreffenden Station auf einer Landkarte od. dgl. ersichtlich gemacht wird, dadurch gekennzeichnet, daß die anzuzeigenden Stationen auf der Karte durch je einen starren oder flexiblen, innerhalb gewisser Grenzen auch beliebig gekrümmten Kanal mit Stellen verbunden sind, die z. B. längs eine}: oder mehrerer gerader oder gekrümmter Linien in Abständen voneinander, die den Abständen der anzuzeigenden Stationen (nach Wellenlängen od. dgl. geordnet) auf einer Einstellskala od. dgl. entsprechen, angeordnet sind und von denen aus zugleich mit der Einstellung der Abstimmittel auf eine bestimmte Station jeweils durch den dieser Station zugeordneten Kanal auf der entsprechenden Stelle der Oberfläche (Sichtfläche) der Landkarte ein den andern Stellen gegenüber deutlich unterscheidbares Sichtzeichen hervorgerufen wird.
Man erkannte früh, dass die komplizierte Mechanik des Vorgängerpatents schwer zu fertigen und störungsanfällig war. Daher suchte man einen anderen Weg, den Lichtpunkt, abhängig von der Frequenzeinstellung auf die Karte zu bringen. Die Idee war nun, das Licht einzeln über optische oder mechanische Kanäle an die richtige Stelle zu bringen.
Anspruch 2 beschreibt eine Konstruktion mit Bowdenzügen (wie bei Fahrradbremsen) die die einzelnen Löcher der Senderstandorte verschloss oder öffnete, so dass Licht hindurchdringen konnte. Auf das Zitieren wurde hier verzichtet.
Anspruch 3 nennt die Ausführung mit gebogenen Glasstäben, die tatsächlich zum Einsatz kam und tatsächlich eine der frühesten Anwendungen der Lichtleitertechnik (Glasfaserkabel) ist. Aber lesen Sie selbst.
3. Stationsanzeigeeinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß den anzuzeigenden Stationen als Kanäle Lichtkanäle (wie totalreflektierende Glasstäbe, leere oder gefüllte Röhren, parallel zueinander geführte spiegelnde Streifen od. dgl.) zugeordnet sind, von denen die einen Enden an den betreffenden Stellen der Landkarte sichtbar angebracht sind, während von den andern entsprechend angeordneten Enden zugleich mit der Einstellung der Abstimmittel auf eine bestimmte Station jeweils das Ende desjenigen Lichtkanals, der dieser Station zugeordnet ist, optisch derart beeinflußt wird, daß sein anderes Ende und damit die betreffende Stationsstelle auf der Landkarte den andern Stellen gegenüber durch deutlich verschiedene Beleuchtung hervortritt.
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Geographic-Skala 1936, Landkarte farbig, Frontseite (oben rechts) und Blick in die Trommel mit den Glasstäben. Exponat im Rundfunkmuseum Cham, Raum Radiogeräte der 30er Jahre |
Dieses Patent hat keine Abbildungen; es gibt aber dafür die technische Umsetzung:
Die gesamte Konstruktion war in zwei konzentrischen Blechtrommeln aufgebaut. Die äußere sorgte für Stabilität und hielt alles zusammen; die innere enthielt die ganzen Lichtleiter. Es gab für jeden einzelnen Wellenbereich ein Glühlämpchen, das mechanisch an die Abstimmeinstellung gekoppelt war und um die innere Trommel herumgeführt wurde. Die einzelnen Glühbirnchen waren in einem eigenen Gehäuse eingebaut, die Streulicht verhindern sollten. Dieses Gehäuse hatte zur Frontseite hin eine Öffnung, um einen Skalenstrich und seitlich eine weitere, um einen Lichtpunkt auf die Außenseite der inneren Trommel zu geben. In der inneren Trommel wurden Glasstäbe von den Lichteintrittsöffnungen an der Seite zu den Öffnungen für die Senderstandorte auf der frontseitigen Europakarte geführt. Da keine Kurzwellensender auf der Karte vermerkt waren, gab es für das zuständige Lämpchen im Lampengehäuse nur eine Öffnung zur Skala hin.
4. Stationsanzeigeeinrichtung nach einem: der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Kanäle in einem festen Block aus entsprechendem Material eingebettet bzw. durch entsprechende Bohrungen oder Aussparungen in einem solchen gebildet sind.
Das wurde zum Glück nicht ausgeführt. Man stelle sich vor, das filigrane Glaswerk wäre mit einer Masse ausgegossen worden; wir hätten womöglich davon nie erfahren.
Nun folgen einige seltene Bilder von der Fertigung:
Die Herstellung der gebogenen Glasstäbe war reine Handarbeit. Die auf dem Tisch liegenden quadratischen Karten enthielten die Angaben zu Form und Länge des jeweiligen Glaslichtleiters.
Montage der fertigen Glasstäbe in die Skalentrommel. Die Trommel aus Blech kann man sich wie eine Kuchenbackform vorstellen. An die Innenseite der Wandung wurde eine bedruckte Schablone eingefügt, die die Position der zu stanzenden Löcher für die Glasstäbe und eine Nummer für die Montageanleitung enthielt. Vorne am Arbeitsplatz für jeden Glasstab die exakte Anweisung zum Einkleben in die Trommel. Die aus der Trommel überstehenden Stäbe wurden nach dem Aushärten des Klebers abgetrennt. Die Schablone verblieb in der Trommel.
Einsetzen der fertig montierten Skalentrommel in das Gerätechassis. Man sieht von außen nur noch die (äußere) Lampenführungstrommel. Durch die rechteckige Öffnung auf der Rückseite konnte man die drei Lämpchen für die Lichtmarken bequem erreichen und austauschen.
Anzeige aus: Radio Handel und Export, Heft 7, 1938
Das dritte Patent zeigt eine, bis heute innovative Konstruktion.
Patentschrift Nr. AT150759
Ing. Ludwig Neumann Gesellschaft M. B. H. In Wien.
Stationsanzeige- bzw. Einstelleinrichtung für Radioapparate u. dgl.
Angemeldet am 11. April 1936.
Beginn der Patentdauer: 15. April 1937.
Patent-Ansprüche:
1. Stationsanzeige- bzw. Einstelleinriehtung für Radioapparate u. dgl., bei der die Einstellung des Apparates bzw. die Abstimmung oder Auswahl der Abstimmkreise für eine bestimmte Station auf einer Landkarte od. dgl. durch die Betätigung eines an der der Station entsprechenden Stelle der Landkarte od. dgl. angeordneten Kontakt oder Schaltorgans erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß die an den Stellen der einzustellenden Stationen in der Art von Druckknopfschaltem ortsfest angeordneten Betätigungsorgane als zweckmäßig totalreflektierende optische Mittel (Glasstäbe oder Röhren od. dgl.) ausgebildet sind, die durch das Niederdrücken od. dgl. in den Bereich von Lichtstrahlen gebracht werden, derart, daß das auf der Oberfläche der Landkarte od. dgl. sichtbar angeordnete Ende des jeweils betätigten Organs in den übrigen Organen gegenüber entsprechend auffallender Beleuchtung erscheint.
Man dachte daran, die Geographic-Reihe noch zu verbessern, Neu sollten Stationtasten sein, die direkt in der Europakarte angeordnet waren. Sehen wir uns das einmal genauer an.
Da die Stationstasten genauso leuchten sollten, wie die der bisherigen Modelle, waren hier ebenfalls Lichtleiter vorgesehen. Neu war, dass diese Lichtleiter alle die gleiche Form und Größe hatten (10…) und in der Tiefe beweglich waren. Drückte man eine Taste (10c), senkte sich der Lichtleiter hinein und kam mit seinem hinteren Ende in einen Lichtkegel der von Sofittenlampen (25) erzeugt wurde. Die Taste leuchtete nun auf. Gleichzeitig wurde ein Druckkontakt, bestehend aus einer Blattfeder und dem Rückwandblech (8) der Trommel, geschlossen, der einen fest eingestellten Kondensator (23c) mit der Induktivität (24) des frequenzbestimmenden Abstimmkreises verband. Das bedeutet, dass jeder Sender seinen eigenen Trimmkondensator brauchte. Drückte man verschiedene Knöpfe hintereinander änderte sich die Schwingkreiskapazität und somit auch die Frequenz. Auf eine Lichtmarkenanzeige auf der kreisförmigen Skalen musste jedoch verzichtet werden.
Damit bei einem Senderwechsel der gedrückte Lichtleiter wieder herauskam, brauchte es eine Sperr- und Haltevorrichtung ähnlich wie bei den Tasten der „Gebissradios“ der 50er-Jahre:
2. Stationsanzeigeeinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß durch die Betätigung des einer Station zugeordneten Organs das zuletzt vorher betätigte Organ einer andern Station selbsttätig in seine Ruhe- oder Ausgangsstellung zurückgebracht und damit die durch das letztere Organ bewirkte Einschaltung oder Einstellung od. dgl. aufgehoben wird.
Beim Drücken einer Taste schob ein kleiner Vorsprung (12) am Rand des Lichtleiters ein Blech (15) zur Seite. War der Vorsprung überwunden, sprang das Blech in seine Ausgangslage zurück. Die Taste blieb gedrückt, leuchtete und der Kontakt war geschlossen. Drückte man nun eine andere Taste verschob sich abermals das Blech, der eingestellte Druckknopf wurde freigegeben und sprang mit Hilfe der Kontaktfeder wieder heraus während die andere gedrückte Taste ihren Kontakt schloss usw.
Diese Idee wurde nicht mehr umgesetzt. Einerseits nahm die Anzahl der empfangbaren Sender immer mehr zu, andererseits erfolgte der „Anschluss“ Österreichs am 11./12. März 1938. Zudem war es mit Beginn des Zweiten Weltkrieges (1. September 1939, Überfall aus Polen) verboten „Feindsender“ zu hören. Ein weiterer Grund war wohl auch die Komplexität der Mechanik. Man stelle sich 120 Sender vor mit ebensovielen Trimmerkondensatoren, die alle genau abgeglichen werden mussten. Eine weitere Herausforderung waren die hohen Schaltkapazitäten. Und was wäre, wenn der Hörer eine Frequenz ganz genau einstellen möchte oder gar die „feindliche“ BBC London hören wollte?
Die vollständigen Patentquellen können online beim Deutschen und/oder beim Europäischen Patentamt eingesehen und heruntergeladen werden.